Änderungsvertrag und Änderungskündigung
In den meisten Arbeitsverhältnissen ändern sich die Aufgaben mit der Zeit, die Verantwortung steigt, man besucht Weiterbildungen, und irgendwann findet man sich außerhalb des anfänglich unterschriebenen Arbeitsvertrages wieder. Die bei der Einstellung vereinbarte Tätigkeit ist womöglich längst durch andere ersetzt worden, man arbeitet auch nicht mehr am selben Standort - und nun merkt der Arbeitgeber, dass es z. B. mit der nächsten Aufgabenzuweisung schwierig werden könnte.
Solange sich die geplante neue Aufgabe auf den Einstellungsvertrag stützen lässt, kann der Arbeitgeber sein Direktionsrecht bzw. Weisungsrecht nutzen und die im Arbeitsvertrag oft sehr allgemein beschriebenen Aufgaben des Mitarbeiters konkretisieren ("bis gestern waren Sie für x zuständig, ab morgen für y").
Sobald der Arbeitgeber an die Grenzen des Direktionsrechts stößt, und er darüber hinaus will, benötigt er eine neue Rechtsgrundlage für seine zukünftigen Arbeitsanweisungen, die kann er sich über einen Änderungsvertrag verschaffen, oder durch den Ausspruch einer Änderungskündigung.
1) Änderungsvertrag
Der Änderungsvertrag ist ein Arbeitsvertrag, der das bereits bestehende Arbeitsverhältnis ändert, häufig in seinen wesentlichen Bestandteilen, also vor allem bezüglich Art und Ort der Tätigkeit. Das Tückische an Änderungsverträgen ist die mögliche Formlosigkeit, sie müssen nicht schriftlich, z. B. auf Papier geschlossen sein, es reicht eine mündliche und sogar stillschweigende Vereinbarung, ein Beispiel: der Arbeitgeber erteilt eine Anweisung, die das Tätigkeitsgebiet grundlegend ändert, der Arbeitnehmer widerspricht nicht und arbeitet fortan so, wie es der Arbeitgeber wollte. Darin kann ein stillschweigender, aber verbindlicher Änderungsvertrag liegen.
Auch die Vergütung kann durch solche Änderungsverträge neu gestaltet werden, auch zum Nachteil des Arbeitnehmers. Das zeigt das Beispiel eines gewerblichen Arbeitnehmers, der einer Erhöhung seines Stundenlohns um 3% zustimmte, dabei aber übersah, dass von 40 Stunden wöchentlich nun nur noch 35 Stunden vergütet werden sollten, das führte im Ergebnis zu einer Verringerung seines Einkommens. Er hielt dies für sittenwidrig und erhob Klage auf Nachzahlung. Das Bundesarbeitsgericht folgte ihm nicht, es sei zulässig, eine "verschlechternde Änderung der Vergütung zu vereinbaren, befristet oder unbefristet" (BAG, 17.10.2012, 5 AZR 792/11).
2) Änderungskündigung
Lehnt ein Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber angebotenen Änderungsvertrag ab, bleibt dem Arbeitgeber nur die Änderungskündigung - wenn er glaubt, den Arbeitnehmer zu den bisherigen Konditionen nicht mehr weiterbeschäftigen zu können. Man könnte sich fragen, weshalb er das Arbeitsverhältnis nicht einfach komplett beendet: möglicherweise will er den Arbeitnehmer nicht verlieren (z. B. bei Arbeitskräftemangel), oder er fürchtet, dass das Arbeitsgericht eine reine Beendigungskündigung für unverhältnismäßig hält, weil eine Änderungskündigung als das mildere Mittel im konkreten Fall ebenso möglich gewesen wäre.
Eine Änderungskündigung besteht immer aus mehreren Teilen, das macht sie so kompliziert und für den Arbeitnehmer gefährlich, weil er sehr genau überlegen muss, wie er darauf zu reagieren hat, wenn er nicht am Ende alles verlieren will. Eine Änderungskündigung ist immer auch eine Kündigung, und deshalb muss sie schriftlich erfolgen, auf Papier und mit Unterschrift, nicht per E-Mail, WhatsApp oder was auch immer (§ 623 BGB). Auch das Änderungsangebot, das dem Arbeitnehmer mit der Kündigung unterbreitet wird, muss in diesem Fall schriftlich erfolgen, anders als es bei Änderungsangeboten sonst verlangt wird - siehe oben.
Der Arbeitgeber kann wählen, ob er die Kündigung nur für den Fall ausspricht, dass der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht innerhalb einer bestimmten Frist annimmt, oder ob er sofort kündigt und dies mit einem Angebot für einen neuen, nunmehr geänderten Arbeitsvertrag verbindet.
3) Reaktion des Arbeitnehmers
Seitens des Arbeitnehmers ist nun taktisches Geschick erforderlich. Er kann das Vertragsangebot vorbehaltlos annehmen, in dem Fall muss er lediglich darauf achten, dass er eine vom Arbeitgeber gesetzte Frist oder Form einhält. Zweite Variante: Er kann das Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderungskündigung, die er gleichzeitig erhielt, wirksam ist (genauer: "die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist", § 2 Kündigungsschutzgesetz).
In Fall der Annahme unter Vorbehalt muss der Arbeitnehmer zweierlei tun: Zum einen muss er dem Arbeitgeber den Vorbehalt innerhalb der laufenden Kündigungsfrist mitteilen, spätestens aber innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung. Zum anderen muss er Kündigungsschutzklage erheben, beim Arbeitsgericht, ebenfalls innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, um sich von dort bestätigen zu lassen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen unwirksam war.
Noch einmal: Er muss zwei Erklärungen auf den Weg bringen, an den Arbeitgeber und an das Arbeitsgericht, und dabei jeweils eine bestimmte Frist einhalten. Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass der Arbeitgeber auf dem Umweg über das Arbeitsgericht von dem Vorbehalt erfährt, das kann zu spät sein!
Gewinnt man den Prozess, steht damit fest, dass die Änderungskündigung unwirksam war, das Arbeitsverhältnis besteht unverändert fort, mit dem bisherigen Inhalt.
Verliert man den Prozess, besteht das Arbeitsverhältnis ebenfalls weiter, nun aber mit dem neuen Inhalt, der erklärte Vorbehalt ist hinfällig (§ 7 KSchG).
Der Arbeitnehmer kann sich also, wenn er es richtig macht, sicher sein, sein Arbeitsverhältnis in jedem Fall zu behalten.
Er kann aber auf Risiko gehen, etwa wenn es für ihn ausgeschlossen ist, zu veränderten Bedingungen zu arbeiten. Wer sich z. B. nicht vorstellen kann, statt in München in Zukunft in Berlin zu arbeiten, könnte alles auf eine Karte setzen: man nimmt das Angebot nicht an, auch nicht unter Vorbehalt, und erhebt nur Kündigungsschutzklage. Im Prozess geht es dann nur noch um die Frage, ob die Änderungskündigung wirksam war. Verliert man den Prozess, ist das Arbeitsverhältnis beendet.
Insofern spricht häufig mehr für eine Annahme unter Vorbehalt. Man muss sich allerdings klar sein, dass die Annahme nicht einseitig zurückgenommen werden kann. Wer es sich später anders überlegt, muss entweder zu einer einvernehmlichen Beendigung kommen oder selber kündigen.
4) Sonderfall: Versetzung plus Änderungskündigung
Der Arbeitgeber muss bei einer Änderungskündigung damit rechnen, dass sie aus Sicht des Gerichts unverhältnismäßig ist, weil z. B. die erstrebte Versetzung an einen anderen Ort auch mit dem bisherigen Arbeitsvertrag möglich gewesen wäre, durch schlichte Ausübung des Direktionsrechts (siehe Versetzung).
Deshalb könnte der Arbeitgeber die Versetzung mit einer "vorsorglichen" Kündigung verbinden. In diesem Fall entfällt die Kündigung, sobald feststeht, dass für die Versetzung keine Änderung des Arbeitsvertrages notwendig war (eine Kündigung unter "auflösender Rechtsbedingung"). Aus Sicht des Arbeitnehmers ist es wichtig, die Kündigung ernst zu nehmen und in jedem Fall fristgerecht Kündigungsschutzklage zu erheben, innerhalb von drei Wochen (§ 4 KschG).
Die Formulierung einer solchen Klageschrift ist anspruchsvoll, erst recht wenn man sich gegen beides wenden will, die Versetzung und die Änderungskündigung. Man könnte einen Hauptantrag stellen, der sich gegen die Versetzung richtet, und einen Hilfsantrag gegen die Änderungskündigung, der für den Fall gestellt wird, dass das Arbeitsgericht zu der Rechtsauffassung gelangen sollte, die Versetzung habe keiner Änderung des Arbeitsvertrages bedurft.
Rechtsanwalt Lars Finke, LL.M., Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mülheimer Str. 85, 47058 Duisburg (Stadtteil Duissern)