Kündigung im Kleinbetrieb - wer zählt mit?

Wer Inhaber eines Kleinbetriebs ist, kann grundsätzlich frei kündigen. Er muss nicht damit rechnen, in einem Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht darlegen zu müssen, weshalb die angegriffene Kündigung "betriebsbedingt", "personenbedingt" oder "verhaltensbedingt" war.

1) Soziale Rechtfertigung

Die Begriffe "betriebsbedingt", "personenbedingt" oder "verhaltensbedingt" spielen nur dann eine Rolle, wenn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anzuwenden ist.

In § 1 KSchG heißt es im ersten Absatz: "Die Kündigung (...) ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist."

Im zweiten Absatz steht, was dieses "sozial ungerechtfertigt" bedeutet, nämlich dass sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen."

Wer als Arbeitgeber diese Gründe im Einzelnen darlegen muss, hat meist viel zu tun. Außerdem trägt er immer das Risiko, dass das Arbeitsgericht am Ende nicht überzeugt ist und der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgibt. Dann muss er oft eine Abfindung anbieten.

2) Privilegierung des Kleinbetriebs

Im Kleinbetrieb gelten diese Anforderungen nicht, hier muss der Arbeitgeber die Kündigung nicht sozial rechtfertigen.

Was ein "Kleinbetrieb" ist, ergibt sich aus § 23 KSchG, allerdings erst auf den zweiten oder dritten Blick. Der erste Absatz dieser Norm besteht aus vier Sätzen, und diese wiederum enthalten mehrere Nebensätze, häufig mit Verneinungen, was das Verständnis zusätzlich erschwert.

Zumal dort mal von "fünf oder weniger Arbeitnehmern" die Rede ist, und mal von "zehn oder weniger Arbeitnehmern".

Die "Fünfer"-Sätze gelten für Altfälle, das sind Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem Jahr 2004 begonnen hat, die also schon länger als 20 Jahre beschäftigt sind.

Für alle anderen gelten die "Zehner"-Sätze, diese Arbeitnehmer, die am 01.01.2004 oder danach angefangen haben, können sich auf den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz nur berufen, wenn in dem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind.

3) Was heißt "in der Regel"?

Der Gesetzgeber war aber selbst an dieser Stelle nicht präzise, er hat die "Fünfer"- und die "Zehner"-Sätze um den Begriff "in der Regel" ergänzt.

Wie kann ich als Arbeitgeber feststellen, ob es in meinem Betrieb "in der Regel" wirklich nicht mehr als zehn Arbeitnehmer sind?

Ausgangspunkt ist die Zustellung der Kündigung, also der Tag, an dem der Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben erhalten hat. Waren an dem Tag im Betrieb exakt zehn oder weniger Mitarbeiter beschäftigt, haben Sie als Arbeitgeber gewissermaßen den ersten Schritt geschafft.

Im zweiten Schritt ist nun zu prüfen, ob es davor oder danach mehr als zehn Arbeitnehmer gewesen sind. Denn das könnte dafür sprechen, dass die Mitarbeiterzahl, die für den Tag der Zustellung ermittelt worden ist, eher zufällig war, also nicht typisch für diesen Betrieb.

Das Bundesarbeitsgericht hat bei dieser Frage zunächst einen Blick in den "Duden" geworfen: dort werde "in der Regel" mit "normalerweise" oder "üblicherweise" umschrieben.

Anschließend hat es sich den Sprachgebrauch in anderen EU-Mitgliedsstaaten angeschaut, z. B. bei der Übersetzung der Richtlinie zu Massenentlassungen aus dem Jahr 1998, wo ebenfalls der Begriff "in der Regel" verwendet wurde. In der französischen Übersetzung der Richtlinie werde von "habituellement" gesprochen, in der englischen von "normally", in der niederländischen von "gewoonlijk", deshalb lasse sich "in der Regel" auch mit "normalerweise" bzw. "gewohnheitsmäßig" umschreiben.

Daraus leitete das Bundesarbeitsgericht folgende Definition ab: "Maßgeblich ist die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer (die Personalstärke), die für den gewöhnlichen Ablauf des Betriebs, also bei seinem regelmäßigen Gang, kennzeichnend ist." (BAG, 11.05.2023, 6 AZR 157/22).

Damit war allerdings noch nicht klar, wie weit dieser "regelmäßige Gang" reicht, genauer gesagt: ob hier die Vergangenheit oder die Zukunft entscheidend ist. Das Gericht entschied sich für beides: "Es bedarf eines Rückblicks auf den bisherigen Personalbestand und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung."

Das passte zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2015, wo selbst die Arbeitnehmer mitgezählt wurden, die zwei Monate vor dem Stichtag aus dem Betrieb ausgeschieden waren, sie seien noch als Teil der gewöhnlichen Belegschaftsstärke anzusehen (EuGH, 11.11.2015, C-422/14).

Eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung sei entbehrlich, wenn der Betrieb stillgelegt werden solle, dann komme es nur auf die früher übliche Beschäftigtenzahl an.

Habe es mehrere Entlassungswellen nacheinander gegeben, könne auf den Zeitraum abgestellt werden, in dem zuletzt eine normale Betriebstätigkeit entfaltet worden sei, die schon reduzierte Belegschaftsstärke sei dann die "normale", die für den Betrieb zuletzt typische gewesen.

4) Welche Mitarbeiter zählen?

Wer die Mitarbeiter seines Betriebs durchzählt, wird sich bei einigen fragen, ob sie wirklich mitzählen, genauer gesagt, ob auch sie von § 23 KSchG erfasst sind.

§ 23 KSchG legt fest, in welchen Betrieben das Kündigungsschutzgesetz zu beachten ist, zu den Beschäftigten äußert es sich kaum, es spricht von "Arbeitnehmern ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten", woraus sich zunächst nur ableiten lässt, das Auszubildende wohl nicht mitzählen sollen.

Alle anderen zählen grundsätzlich mit, unabhängig von ihrem Status, erst anschließend ist individuell zu prüfen, ob der eine oder andere vielleicht doch zu streichen ist.

(1) Probezeit bzw. Wartezeit

Nur wer schon länger als sechs Monate beschäftigt ist, kann sich persönlich auf das Kündigungsschutzgesetz berufen (§ 1 Abs. 1 KSchG). Wer das für sich noch nicht erreicht hat, zählt aber bereits mit, soweit es um die Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG geht (BAG, 27.04.2021, 2 AZR 540/20).

(2) Teilzeitbeschäftigte

Teilzeitkräfte zählen mit, werden aber unterschiedlich gewichtet, je nach Umfang ihrer Arbeitszeit. Wer regelmäßig nicht mehr als 20 Stunden pro Woche arbeitet, wird mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt, bei nicht mehr als 30 Stunden beträgt der Faktor 0,75. Entscheidend ist die vereinbarte, nicht die tatsächlich geleistete Arbeitszeit, es müssen also keine Plus- und Minusstunden ermittelt werden. Anders kann es sein, wenn dauerhaft Überstunden geleistet werden und die im Arbeitsvertrag vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr der Praxis entspricht. Wer nur hin und wieder aushilft, das aber regelmäßig, zählt mit, hier muss ein Durchschnitt gebildet werden.

(3) Auszubildende, Werkstudenten, Praktikanten

Das Gesetz spricht in § 23 KSchG bewusst von "zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten", die Berufsbildung muss im Vordergrund stehen, damit sie nicht mitzählen.

Wer aufgrund eines Berufsausbildungsvertrages eine klassische betriebliche Ausbildung macht, zählt jedenfalls nicht, er ist kein Arbeitnehmer.

Schwierig ist die Abgrenzung bei Volontären, Werkstudenten, Umschülern und Praktikanten, bei denen der Hauptteil der Ausbildung außerhalb des Betriebs stattfindet oder die ihre eigentliche Ausbildung schon abgeschlossen haben. Wenn das Lernen nur ein Aspekt ist, und die Erledigung von Arbeit bzw. die Erzielung von Einkünften klar im Mittelpunkt stehen, sind die Betreffenden keine Auszubildenden, sie sind als normale Arbeitnehmer zu betrachten und mitzuzählen.

(4) Leiharbeitnehmer

Bei § 23 KSchG kommt es auf die Gesamtzahl der regelmäßig Beschäftigten an, unabhängig davon, ob dies eigene oder entliehene Arbeitnehmer sind.

Dass die Entliehenen in keinem Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsinhaber stehen, sondern Arbeitnehmer ihres Verleihers bzw. Zeitarbeitsunternehmens bleiben, spielt keine Rolle.

Entscheidend ist allein, ob die Zeitarbeiter Teil der regelmäßigen Personalstärke des Entleihbetriebs sind, dann zählen sie mit. Werden sie nur hin und wieder zur Vertretung von Stammarbeitnehmern oder zur Bewältigung von Auftragsspitzen eingesetzt, zählen sie nicht mit (BAG, 24.01.2013, 2 AZR 140/12).

(5) Vertretungen und Ersatzeinstellungen

Eine Doppelzählung muss vermieden werden, deshalb zählt entweder der Vertreter oder der Vertretene, der vorübergehend nicht im Betrieb tätig ist.

Für die Elternzeitfälle ist das sogar gesetzlich vorgeschrieben, in § 21 Abs. 7 BEEG: "Wird (...) auf die Zahl der Arbeitnehmer abgestellt, so sind bei der Ermittlung dieser Zahl (die), die sich in Elternzeit befinden oder zur Betreuung eines Kindes freigestellt sind, nicht mitzuzählen, solange für sie ein Vertreter eingestellt ist."

Gleiches gilt für zeitweise doppelt besetzte Arbeitsplätze, bei denen ein demnächst ausscheidender Arbeitnehmer die für ihn eingestellte Ersatzkraft noch einarbeitet.

(6) Erkrankte Arbeitnehmer

Wer vorübergehend arbeitsunfähig und deshalb nicht im Betrieb tätig ist, gehört weiter zum normalen Personalbestand, zählt also mit.

Anders ist es bei Langzeiterkrankten, mit deren Rückkehr in den Betrieb auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist. Ihre Aufgaben werden inzwischen auf andere verteilt sein, deshalb zählen sie nicht mit. Erst recht wenn für sie Ersatzkräfte eingestellt wurden (Vermeidung von Doppelzählungen, siehe oben).

(7) Kurzarbeit

Ein Sonderfall sind Arbeitnehmer in Kurzarbeit, die z. B. nur für einige Stunden tätig sind oder gleich ganz zuhause bleiben ("Kurzarbeit Null").

Sie ähneln auf den ersten Blick einer Teilzeitkraft, sind aber dennoch mit ihrer eigentlichen Stundenzahl, also z. B. als Vollzeitkraft mit dem Faktor 1,0 zu berücksichtigen.

Kurzarbeit wird im Allgemeinen bei einem nur vorübergehenden Arbeitsmangel angeordnet und von der Agentur für Arbeit durch Zahlung von Kurzarbeitergeld subventioniert. Bei ihr ist gerade nicht von einem dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf auszugehen (BAG, 11.05.2023, 6 AZR 157/22).

(8) Leitende Angestellte

Leitende Angestellte sind Arbeitnehmer, selbst wenn sie "zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind" (§ 14 Abs. 2 KSchG), also gewissermaßen mit einem Bein im Arbeiterlager stehen. Auch sie genießen den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes, nur an einigen Stellen gelten für sie besondere Vorschriften.

Soweit es um die Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer geht (§ 23 KSchG), gelten keine Besonderheiten, sie sind mitzuzählen.

(9) Geschäftsführer

Wer Geschäftsführer oder Vorstand ist, ist in aller Regel kein Arbeitnehmer. Er ist Mitglied eines Organs, etwa der Geschäftsführung einer GmbH oder des Vorstands einer AG, durch das die Gesellschaft nach außen handelt. Diese Organmitglieder sind vom allgemeinen Kündigungsschutz ausgenommen (§ 14 Abs. 1 KSchG).

Ausnahmen gibt es aber selbst hier, etwa wenn ein Geschäftsführer nicht aufgrund eines freien Dienstvertrags, sondern eines klassischen Arbeitsvertrags im Sinne des § 611a BGB für die GmbH tätig ist. Hintergrund ist meist ein alter, nicht angepasster Arbeitsvertag, der nun als Grundlage für die Geschäftsführertätigkeit dient.

Das Bundesarbeitsgericht verlangt für die Anerkennung der Arbeitnehmereigenschaft aber noch mehr, nämlich dass sich die Gesellschafter ein sehr weitreichendes Weisungsrecht vorbehalten haben, das über das gesellschaftsrechtliche hinausgeht, das sei ausgesprochen selten (BAG, 27.04.2021, 2 AZR 540/20).

5) Was folgt daraus?

Als Arbeitgeber sollten Sie sich nicht zu früh freuen, wenn es am Tag der Zustellung des Kündigungsschreibens zufälligerweise nur zehn (bzw. fünf) oder weniger Mitarbeiter waren.

Sie müssen damit rechnen, dass sich das Gericht auch für die Zeiten davor und danach interessiert. Wenn Ihr Betrieb ein "Grenzfall" ist, sollten Sie sich rechtzeitig arbeitsrechtlich beraten lassen, möglichst bevor Sie kündigen, spätestens aber nachdem Ihnen vom Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage zugestellt wurde.

Sind Sie Arbeitnehmer, müssen Sie alles versuchen, um die übliche Mitarbeiterzahl in Erfahrung zu bringen. Die Darlegungs- und Beweislast liegt nämlich bei Ihnen, der Arbeitgeber muss im Prozess erst dann konkrete Angaben machen, nachdem Sie dem Gericht hinreichende Anhaltspunkte geliefert haben. 

Rechtsanwalt Lars Finke, LL.M., Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mülheimer Str. 85, 47058 Duisburg (Stadtteil Duissern)