Kündigung bei Tätigkeit im Ausland

Wenn Sie als Arbeitgeber Ihren Sitz in Deutschland haben und Ihre Mitarbeiter nur hierzulande einsetzen, müssen Sie sich nicht mit internationalem Arbeitsrecht befassen.

Anders ist es, wenn Sie von hier aus in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem Drittstaat wie z. B. der Schweiz tätig sind. Gleiches gilt, wenn Sie ihren Sitz im Ausland haben und Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen, dann haben Sie schnell mit einem Arbeitsrecht zu tun, das Ihnen nicht vertraut ist.

Ein Beispiel sind Kündigungen, die oft schwierig durchzusetzen sind, sobald deutsches Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, das Kündigungen möglichst vermeiden will. In anderen Staaten sind die Anforderungen in der Regel leichter zu erfüllen, teilweise beschränken sie sich auf die Einhaltung von Fristen.

1) Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

Im deutschen Recht gibt es viele Gesetze, die Kündigungen erschweren. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist eines davon, schon sein Titel verrät das Ziel, es soll Arbeitnehmer vor Kündigungen schützen. Weitere Beispiele sind das Mutterschutzgesetz, das Elternzeitgesetz, das Pflegezeitgesetz, das Familienpflegegesetz, das Betriebsverfassungsgesetz, das nicht nur Betriebsratsmitglieder vor Kündigungen schützt, sowie das Sozialgesetzbuch IX (Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen).

An dieser Stelle soll es nur um das KSchG gehen, weil es an den "Betrieb" anknüpft, und über ihn auch an das Staatsgebiet und das dort geltende Arbeitsrecht.

Das KSchG erfasst Betriebe mit "in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmern" (bei Altfällen: mehr als fünf), Teilzeitkräfte werden mit 0,5 oder 0,75 berücksichtigt (§ 23 KSchG).

In Fällen mit Auslandsbezug ist vor allem zu fragen: Was ist der "Betrieb"?, und wer zählt mit, nur Beschäftigte in Deutschland oder auch die im Ausland?

Das Gesetz verwendet den Begriff "Betrieb" an mehreren Stellen, es definiert ihn aber nicht. Das macht seine Anwendung flexibler, aber auch unberechenbarer.

Das Bundesarbeitsgericht beschreibt ihn als "organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern durch Einsatz technischer und immaterieller Mittel arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die über die Befriedigung des Eigenbedarfs hinausgehen" (BAG, 02.03.2017, 2 AZR 427/16).

Dabei steht im Mittelpunkt, ob ein einheitlicher Leitungsapparat existiert, der den Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten ausübt und über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen entscheidet, insbesondere darüber, wie Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorzunehmen sind.

Von wo aus die kaufmännischen und technischen Entscheidungen getroffen werden, spielt insofern nur eine untergeordnete Rolle.

Das Gesetz stellt bei der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer wohlgemerkt nur auf den "Betrieb" ab, nicht das Unternehmen oder den Arbeitgeber. Das ermöglicht es, auch einen von verschiedenen Arbeitgebern gebildeten "Gemeinschaftsbetrieb" zu erfassen, bei dem die personelle und soziale Leitung einheitlich erfolgt.

Beispiel: Die Arbeitgeber A, B und C beschäftigen 4, 8 und 3 Arbeitnehmer, die Personalführung erfolgt in einer zentralen Stelle, die z. B. im größten der drei Betriebe angesiedelt ist. Jeder beschäftigt weniger als zehn Arbeitnehmer, zusammen aber liegen sie mit 15 über dem Schwellenwert des § 23 KSchG.

2) Beschäftigt in Deutschland oder außerhalb?

Wer als Arbeitnehmer in Deutschland in einem Betrieb beschäftigt ist, der für sich betrachtet nicht die Schwelle des § 23 KSchG überschreitet, könnte argumentieren, dass bei ihm dieser Sonderfall vorliege, dass nämlich sein Betrieb mit einem anderen, im Ausland gelegenen Betrieb einen "Gemeinschaftsbetrieb" bilde.

Über eine solche Konstellation musste das Bundesarbeitsarbeitsgericht bezüglich einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Dänemark entscheiden. Der Kläger war nicht unmittelbar bei ihr, sondern bei ihrer Vertriebstochter in Deutschland beschäftigt. Ob die beiden Gesellschaften tatsächlich einen Gemeinschaftsbetrieb bildeten, ließ das Gericht offen, es wies die Klage des Arbeitnehmers aus einem anderen Grund ab: Soweit es um die Gesamtzahl der Beschäftigten im Sinne des § 23 KSchG gehe, kämen nur die Arbeitnehmer in Betracht, für die das "deutsche Arbeitsrecht und insbesondere das Recht des Kündigungsschutzgesetzes angewendet und durchgesetzt" werden könne:

"Jedenfalls solche im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse nicht dem deutschen Recht unterliegen, zählen auch dann beim Schwellenwert nicht mit, wenn die ausländische Arbeitsstätte mit einer deutschen einen Gemeinschaftsbetrieb bildet." (BAG, 26.03.2009, 2 AZR 883/07).

In einem ähnlichen Fall war der Kläger ebenfalls in Deutschland im Vertrieb tätig, aber unmittelbar bei der in Belgien ansässigen Gesellschaft angestellt. Außerdem hatte er mit ihr schriftlich die Anwendung deutschen Arbeitsrechts und die Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte vereinbart. In Deutschland war er gemeinsam mit zwei Kollegen tätig, in Belgien waren mindestens 25 Arbeitnehmer beschäftigt, der Kläger war der Ansicht, diese seien im Rahmen des § 23 KSchG mitzuzählen.

Das Bundesarbeitsgericht wies auch diese Kündigungsschutzklage ab. Dass bezogen auf den Kläger die Anwendung deutschen Arbeitsrechts vereinbart sei, reiche nicht aus, solange für die in Belgien beschäftigten Arbeitnehmer weiterhin belgisches Recht gelte, beide Gruppen könnten nicht zusammengerechnet werden:

"Die deutschem Recht unterstehenden Arbeitsverhältnisse richten sich insgesamt und hinsichtlich ihrer Beendigung nach deutschem Recht, während die anderen Arbeitsverhältnisse belgischem Recht und damit einer anderen Rechtsordnung unterstehen." (BAG, 17.01.2008, 2 AZR 902/06).

Es machte aber deutlich, wie sich bei einer anderen Fallgestaltung die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes möglicherweise begründen lasse. Es stütze sich dabei auf das in der arbeitsrechtlichen Wissenschaft diskutierte Beispiel eines amerikanischen Pharmaunternehmens, das seine für Deutschland zuständige Vertriebstochter in Basel (Schweiz) ansiedele und seine "rund 200 ausschließlich in Deutschland beschäftigten Außendienstmitarbeiter straff von Basel aus" führe:

"In dem Fall wäre zu erörtern, ob die 200 deutschem Arbeitsrecht unterfallenden Mitarbeiter als in einem Betrieb im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt anzusehen wären."

Der unterlegene Kläger, der sich gegenüber dem in Belgien ansässigen Arbeitgeber auf das Kündigungsschutzgesetz berufen hatte, wollte sich damit nicht zufriedengeben, er erhob Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Er war auch dort nicht erfolgreich, das Bundesverfassungsgericht ließ aber durchblicken, dass es dem Beispiel mit der in der Schweiz angesiedelten Vertriebstochter für Deutschland durchaus etwas abgewinnen könne - wenn dort genug Arbeitnehmer beschäftigt seien:

"Dass bei verfassungskonformer Auslegung des § 23 Abs. 1 KSchG Anderes gelten kann, wenn sich die Betriebsleitung zwar im Ausland befindet, die Arbeitsleistung von mehr als zehn Arbeitnehmern (...) aber in Deutschland erbracht wird, hat das Bundesarbeitsgericht gesehen, die Voraussetzungen im vorliegenden Fall, in dem das belgische Unternehmen nur drei Außendienstmitarbeiter in Deutschland einsetzte, jedoch nicht für gegeben erachtet." (BVerfG, 12.03.2009, 1 BvR 1250/08).

3) Sonderfall: Vorbeschäftigung im Ausland

Beim "Betrieb" im Sinne des § 23 KSchG wird also Einheitlichkeit verlangt, alle dort beschäftigten Arbeitnehmer müssen demselben, und zwar deutschem Arbeitsrecht unterliegen.

Anders ist es bei § 1 KSchG und der Frage, ob das Arbeitsverhältnis des klagenden Arbeitnehmers bereits "länger als sechs Monate bestanden hat". Dort wird nicht mehr allein auf den "Betrieb" abgestellt, sondern alternativ auf das "Unternehmen". Außerdem kann für das Arbeitsverhältnis zeitweise auch ausländisches Recht maßgeblich gewesen sein, was die Einbeziehung von Vorbeschäftigungszeiten ermöglicht, die an Standorten desselben Arbeitgebers außerhalb von Deutschland zurückgelegt wurden.

Das zeigt eine Entscheidung des Bundesarbeitsgericht von 2011, dort ging es um eine Tätigkeit für eine Bank mit Sitz in Lettland, die später in Deutschland fortgesetzt wurde.

Der erste Arbeitsvertrag war am 7.4. in Lettland und in lettischer Sprache geschlossen worden. Nach der Einarbeitung wechselte der Arbeitnehmer nach Deutschland, um dort den Aufbau einer Filiale zu leiten. In Deutschland wurde am 9.6. ein neuer Arbeitsvertrag unterzeichnet, nun in deutscher Sprache und mit Bezug auf einzelne deutsche Rechtsnormen. Exakt sechs Monate später, am 9.12., stellte die Bank dem Arbeitnehmer in Deutschland ein Schreiben zu, mit dem sie das Arbeitsverhältnis kündigte.

Der Arbeitnehmer erhob Klage, er war der Ansicht, er sei schon länger als sechs Monate beschäftigt, das Arbeitsverhältnis bestehe seit 7.4., nicht erst seit 9.6.

Das Bundesarbeitsgericht stellte zunächst klar, dass eine Anwendung des KSchG nur in Betracht komme, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung deutsches Recht maßgeblich sei.

Das sei vorliegend aus zwei Gründen erfüllt: Zum einen enthalte der zweite Arbeitsvertrag eine Bezugnahme auf deutsche Rechtsvorschriften, darin sei eine Rechtswahl zu sehen. Zum anderen ergebe sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts aus dem letzten gewöhnlichen Arbeitsort, der habe in Deutschland gelegen.

Anders als bei § 23 KSchG, der auf den Betrieb und dessen Belegschaft, also die Gesamtheit der dort beschäftigten Arbeitnehmer abstelle, stünden bei der Wartezeit im Sinne des § 1 KSchG die individuellen Verhältnisse des gekündigten Arbeitnehmers im Mittelpunkt. Der Zweck der Wartezeit sei es, sich gegenseitig kennenzulernen und prüfen zu können, dies sei auch bei Beschäftigungen möglich, auf die vorübergehend ausländisches, also nicht deutsches Arbeitsrecht anzuwenden sei.

Zwar verlange der Wortlaut des § 1 KSchG ein Arbeitsverhältnis "ohne jede rechtliche Unterbrechung", das sei aber auch dann gegeben, wenn zwei oder mehr Arbeitsverhältnisse ohne zeitliche Unterbrechung unmittelbar aufeinanderfolgten, wichtig sei nur, dass diese mit demselben Unternehmen bestanden.

Die Bank hatte eingewandt, damit werde die Geltung deutschen Rechts rückwirkend auf Zeiten erstreckt, in denen das Arbeitsverhältnis noch ausländischem Recht unterlag.

Das Bundesarbeitsgericht betonte, es gehe nur darum, ob tatsächliche Vorgänge aus der Zeit vor dem Wechsel des anzuwendenden Rechts zu berücksichtigen seien:

"Es entspricht den Grundsätzen des Internationales Privatrechts, dass im Fall eines Statutenwechsels das 'alte' Statut für die bis (dahin) eingetretenen Wirkungen anwendbar bleibt. Über weitere Wirkungen entscheidet das 'neue' Statut. So ist an deutschem Recht zu messen, ob Vorgänge, die sich unter der Geltung fremden Rechts ereignet haben, im Sinne der einschlägigen inländischen Norm als tatbestandsmäßig anzuerkennen sind." (BAG, 07.07.2011, 2 AZR 12/10).

Der Kläger war mit seiner Kündigungsschutzklage erfolgreich, weil die lettische Bank auch in Deutschland mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte, die dortigen Niederlassungen und Filialen seien insgesamt als einheitlicher Betrieb im Sinne des § 23 KSchG anzusehen, auf den einheitlich deutsches Recht anzuwenden sei.

Bei der Wartezeit im Sinne des § 1 KSchG ("länger als sechs Monate beschäftigt") war diese Einheitlichkeit nicht erforderlich.

4) Was folgt daraus?

International tätige Unternehmen, die Arbeitnehmer auch in anderen Staaten beschäftigen, müssen damit rechnen, dass auf sie ausländisches Arbeitsrecht angewendet wird.

Dafür reicht es oft schon aus, dass Arbeitnehmer für längere Zeit ins Ausland entsandt werden. Sobald sich der "gewöhnliche Arbeitsort" ändert, die Arbeitnehmer ihre Arbeit also üblicherweise in einem anderen Staat verrichten, ändert sich häufig auch das Vertragsstatut. Ein weiteres "Einfallstor" können Vertragsänderungen sein, die nach dem Wechsel ins Ausland vorgenommen werden, diese könnten rückwirkend als Rechtswahl interpretiert werden, etwa des Rechts des damaligen Arbeitsorts.

In der Lettland-Entscheidung musste das Bundesarbeitsgericht noch auf das nationale deutsche Internationale Privatrecht zurückgreifen (EGBGB), etwa bei der Rechtswahl oder dem gewöhnlichen Arbeitsort. Wäre der dortige Arbeitsvertrag am 17.12.2009 oder danach geschlossen worden, hätte es die europäische Verordnung Nr. 593/2008 ("Rom I") anwenden müssen, die für alle vertraglichen Schuldverhältnisse gilt, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen.

Mit "verschiedene Staaten" sind nicht nur EU-Mitgliedsstaaten gemeint, sondern auch Drittstaaten wie z. B. die Schweiz (loi uniforme, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Rom I-VO).

Sie sieht "freie Rechtswahl" vor, die sich "aus den Umständen des Falles ergeben" kann (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO); im übrigen unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, "in dem oder von dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet" (Art. 8 Rom I-VO), hier spielen Arbeitsort und Wohnort eine Rolle.

Wer die Anwendung des KSchG vermeiden will, sollte in Deutschland möglichst nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, um den betrieblichen Geltungsbereich des KSchG für sich auszuschließen. Allerdings sollte er dann zugleich sicherstellen, dass auf die außerhalb von Deutschland tätigen Arbeitnehmer kein deutsches Arbeitsrecht anzuwenden ist, weil diese andernfalls bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl im Sinne des § 23 KSchG mitzuzählen sein könnten.

Rechtsanwalt Lars Finke, LL.M., Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mülheimer Str. 85, 47058 Duisburg (Stadtteil Duissern)